Es gibt Kaffee!
Mittwoch morgen, wir sind immer noch zu viert. Anton, Hagen, Lola, Lukas sitzen beim Frühstück. Anders als gestern steht heute sogar Kaffee auf dem Tisch. Unsere neuen Gaskocher hatten uns gestern nicht viel genutzt, ohne Gasflaschen. Heute haben wir alle nötige Küchenausstattung beisammen, um ein vollständiges Frühstück mit Heißgetränk nach Wahl zuzubereiten. Noch merken wir die lange Anfahrt ein wenig in den Knochen, gut, dass heute keine besonders großen Baustellen anstehen. Die wichtigste Baustelle beginnt um 13 Uhr, da sind wir nämlich bei Marju und Jaan verabredet, um noch mal ordentlich Hallo zu sagen. Es gibt Kuchen und noch mal Kaffee. Für heute genau das Richtige! Als Gastgeschenk haben wir einen Honig aus eigener Herstellung dabei. Wer schon seit letztem Jahr mitliest, weiß ja schon, dass Honig in Estland hoch im Kurs steht. Wie schon letztes Jahr verständigen wir uns auf vielen verschiedenen Sprachen gleichzeitig und immer muss irgendjemand übersetzen. Lola versteht etwas estnisch, englisch funktioniert auch häufig, und Hagen kann zufällig norwegisch, das Marju und Jaan ein bisschen verstehen. Wo es hapert, hilft Georg, der zwischen englisch und estnisch übersetzt. Wir werden gewarnt, dieses Jahr sind viele Bären unterwegs. Das ist weiter kein Problem, die Bären haben wohl gelernt Abstand zu halten, und es gab in Estland lange keinen Bärentoten mehr, sagt Jaan, der ehemalige Förster. Trotzdem wird uns das gelegentlich aushängende Hinweisschild noch mal übersetzt: Keinen Müll und Essen soll man draußen rumstehen lassen, aber das machen wir sowieso nicht. Hunde anleinen, na klar, aber einen Hund haben wir dieses Jahr ohnehin nicht dabei. Bei Bärenkontakt soll man sich nicht tot stellen. Da wären wir vermutlich auch nicht drauf gekommen. Generelle Regel bei Bärenkontakt: Ruhig bleiben, Blickkontakt halten, und ruhig zurückweichen. Anschließend bekommen wir noch eine haarsträubende Bärengeschichte aus älteren Tagen zu hören, bei der vielleicht nicht alle diese Regeln konsequent umgesetzt wurden. Gut ausgegangen ist sie trotzdem. Glück gehabt!

Eine Spezialmission steht am Nachmittag noch für Lukas, Hagen und Georg an. Eine Person, die wir immer nur den “Brunnenmann” nennen, kommt in ein paar Tagen vorbei, um eine Wasserprobe unserer letztes Jahr entdeckten Brunnen zu nehmen. Bis dahin muss das alte Wasser, das nun seit einigen Jahrzehnten in der Röhre steht, großzügig ausgepumpt werden. Da muss leider etwas mehr her, als eine Handpumpe. Wir steuern das erste Geschäft an, hier gibt es leider keine Pumpen. Im zweiten Laden, einem Pumpen- und Klempnerfachgeschäft gibt es Pumpen, aber was für welche: Einige passen in unsere nur 10,5 cm breite Brunnenröhre, sind aber großzügig bepreist. Dafür können sie Wasser aus 150 m Tiefe fördern und schlucken entsprechend viel Strom. Auch hier sind wir wohl falsch. Im Baumarkt werden wir schließlich fündig: Eine kleine elektrische Pumpe, die sogar im Angebot ist! Und das Beste, sie braucht so wenig Strom, dass wir sie an unserer mobilen Batterie betreiben können. Wir hatten schon Sorge gehabt, den ganzen Tag das laute Notstromaggregat laufen lassen zu müssen. Glücklich fahren wir nur ein paar Euro ärmer, und dafür um eine Pumpe samt Schlauch und Zubehör reicher nach Hause, füllen an der Quelle noch schnell etwas Wasser auf (das müssen wir dann ja bald nicht mehr) und fangen an, zu basteln. Wir lassen unsere Neuanschaffung etwa 5 Meter in die Röhre hinein. Dabei passen wir auf, dass sich bei zwei Ziehseilen, einem Schlauch und einem Stromkabel in der engen Röhre nichts verheddert. Gespannt stecken wir den Stecker ein, es beginnt zu rumpeln, und zosch! Einige Sekunden später sprudelt klares Wasser aus dem Schlauch! Wir sind begeistert und erleichtert. Was da aus dem Schlauch tritt, riecht zwar etwas nach Schwefel, aber wir haben ja noch einige Tage Zeit, um das alte Wasser auszupumpen. Wir sind gespannt, wie der Brunnenmann in einigen Tagen wohl fachkundig urteilen wird.

Auch Anton und Lola waren in all der Zeit nicht untätig. Das “Magazin”, also unser Werkzeuglagerraum hat wieder ein ordentliches System. Wer den Raum betritt, versteht sofort, wo welche Schrauben zu finden sind, und wo die begehrten Akkuschrauberkisten wieder einsortiert werden sollen. Ähnlich strukturiert zeigt sich jetzt das Küchenzelt und das Saunahaus, das (bärensicher) unsere Vorräte beherbergt. Es ist schön, dass die Anhänger endlich leer und alle Pappkartons verschwunden sind.

Ein leerer Anhänger wird am Donnerstag gleich für ein neues Projekt eingespannt. Da war ja die Sache mit der Brunnenpumpe und der mobilen Batterie. Nun haben Batterien, im Unterschied zum Beispiel zu Kraftwerken, leider die Eigenschaft, irgendwann leer zu sein. Doch hier fügt sich ein Zufall ein: Hagen hatte ohnehin geplant, für Kühlbox, Handys und Laptops zwei Photovoltaikmodule an der Scheune zu installieren. Nun ist mit einer Wasserpumpe im Dauerbetrieb ein ziemlicher Stromfresser hinzugekommen. Um unsere Solarzellen noch besser auszunutzen, schlägt Anton vor, sie zunächst provisorisch auf unserem freien Anhänger aufzubauen, der dann der Sonne zu gewendet werden kann. Für die nächsten Tage hat der estwärts e.V. also das wichtige Amt des Anhängerwarts gewonnen, der den Hänger im Stundentakt wie eine überdimensionierte Sonnenuhr optimal ausrichtet. Hagen muss sich mit der finalen Solarinstallation noch ein paar Tage gedulden. Die Pumpe plätschert derweil fröhlich vor sich hin und verbreitet bei genauerem Hinriechen immer noch den leicht schwefligen Geruch von faulen Eiern.

Ein weiteres größeres Projekt gehen wir heute noch an. Schon bei den Vorbereitungstreffen wurde der Wunsch nach einer Mückenfreien Zone (MFZ) geäußert. Dafür haben wir ein so großes Mückennetz gekauft, dass es erst nach Umbauten in unsere Scheune passen wird. Ein Zwischenboden muss weichen! Der war letztes Jahr noch von Schwalben bevölkert gewesen, die aber dieses Jahr, wie vorgesehen, auf ihrem Schwalbenbrett unter dem Dach eingezogen sind. Mit Staubschutzmaske ausgerüstet wird der Zwischenboden zunächst von Heu und Schwalbendreck befreit und dann Brett für Brett von Anton abgetragen. Die nicht wiederverwertbaren Reste werden gleich zum Lagerfeuer.
Lola und Lukas flüchten sich kurz vor Feierabend noch mal in die Pilze: Es soll Nudeln mit Pfifferlingen geben. Wie letztes Jahr müssen sie nicht lange suchen, um fußläufig ganze Pfifferlingvölker zu entdecken. Das Finden und Abpflücken der schmackhaften Pilze ist gar nicht das Problem, aber die Mücken scheinen heute besonders aggressiv zu sein! Als die beiden völlig zerstochen aus dem Wald zurückkehren, ist dennoch ein Riesentopf voll zusammen gekommen. Die Pfifferlingnudeln werden problemlos leer, und als wir uns gerade mit gefüllten Bäuchen ans Feuer setzen wollen, kommen die Nachbarn noch mal zu Besuch für eine kleine Hofführung.

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