Es geht wieder auf die Reise

Dienstag Abend sitzen Lukas, Anton und Lola vor dem Feuer. Lukas und Anton lesen die Feierabendzeitung, Lola stimmt schon mal die Gitarre. Hagen - das bin heute ich - sitzt da auch und schreibt Blogartikel, als wären wir nie weg gewesen. Wir sind wieder in Rihula, und fast den ganzen August hindurch gibt es jetzt wieder regelmäßig Blogeinträge. Unsere großen Pläne für dieses Jahr verraten wir heute noch nicht alle. Aber so viel sei gesagt, wo die letzte Bauhütte sich zum großen Teil um zu flickende Dächer und zu mähendes Gestrüpp drehte, soll es dieses Jahr vermehrt um die Infrastruktur unter jenen Dächern und auf den entstandenen Wiesen gehen.

Hinter einer gemauerten Feuerstelle in einem großen, schwarzen Zelt sitzen drei Menschen und lesen oder spielen Gitarre.
Der Rihula-Garten. Viel Grün und eine Linde.

Die Bauhütte ist seit knapp 24 Stunden im Gang, aber eigentlich gibt es schon viel mehr zu erzählen: Von mehreren Vorbereitungstreffen im Vogelsberg und in Werleshausen. So richtig los ging es für uns aber dann am Freitag. Hagen kommt mit dem ICE in Marburg an - pünktlich sogar. Und weil er zusätzlich zum Rucksack in der einen Hand noch einen schweren Beutel voller Kabel und Elektrowerkzeug hat, und in der anderen Hand zahlreiche frisch geschenkte Gläser Marmelade, holen ihn Anna, Lola und Anton vom Bahnhof ab, bevor es steil nach oben geht, in die Geschwister-Scholl-Straße, wo sich nicht nur eine WG befindet, die zur Hälfte aus Vereinsmitgliedern besteht, sondern auch unsere Zentrale. Hier sind in den letzten Wochen schon zahlreiche Pakete angekommen. Photovoltaikmodule, ein eigens für uns gebauter Sicherungs- und Verteilerkasten, ein gespendeter Holzofen, Petroleum und Lampendochte im Großpaket, Werkzeugschätze aus den Kleinanzeigen, und eine neue Kühlbox. Besonders die zwei neuen, gusseisernen Gaskocher, haben unsere Paketbotin zur Verzweiflung getrieben. Die WG in Marburg hat all diese Neuanschaffungen und Spenden schon fleißig inventarisiert, sie liegen jetzt beschriftet, nummeriert und gewogen im Wohnzimmer in der Zentrale in der Geschwister-Scholl-Straße.

Das Ganze Sofa liegt voll mit Zeug und Paketen

Der Samstagmorgen beginnt mit einem gemeinsamen Frühstück, und während Lola und Hagen noch ein paar letzte Einkäufe erledigen, packen Lionel, Anna und Anton die Kisten aus dem Wohnzimmer auf den Anhänger, der morgen nach Estland gehen soll. Zum Schluss passt alles genau, und zwar so, dass noch eine Plane und ein Sicherungsnetz darüber passen und die maximale Zuladung des Hängers nicht überschritten wird. Zum Abend fahren wir noch einmal auf: Kartoffelspalten, Gemüse aus dem Ofen, gebackener Feta, Oliven und Joghurtsoße. Und das dreckige Geschirr kommt in die Spülmaschine. So gut und dabei komfortabel werden wir lange nicht mehr essen!

Der Hänger hängt an und drei Leute stehen drum rum. Es wird ein Lichttest gemacht.

Sonntag morgen, viertel nach 8 Uhr morgens: Wir sitzen im Auto, hinter uns hängen 700 kg Hänger und Gepäck. Auf der Rückbank steht nicht nur die neue Kühlbox, gefüllt mit koffeinhaltigen Erfrischungsgetränken, Obst und Käse. Auch eine Mitfahrerin wird noch die ersten Meter mitgenommen. 2000 Kilometer liegen vor uns, durch fünf Länder: Deutschland, Polen, Litauen, Lettland und Estland. Wir kommen gut voran, es ist schließlich Sonntag. Hinter uns taucht ein Polizeiauto auf und verfolgt uns bei Tempo 80 für ein paar Minuten. Die werden doch wohl nichts an unserer Ladungssicherung auszusetzen haben? Dann wird überholt und wir sind uns sicher, ein paar anerkennende Blicke zu erkennen. Mittag essen wir noch in Deutschland, nachmittags sind wir schon in Polen. Aber Polen ist groß. Es kostet uns den ganzen Nachmittag, eine Spätschicht bis um 23 Uhr, eine Nachtschicht bis um 2 Uhr nachts und dann noch eine zweite Nachtschicht bis um 5 Uhr morgens, bis wir endlich an Breslau, Warschau und Suwalki vorbei sind, und uns der Grenze nähern. Pinkelpause und ein schnelles Brot an der Tankstelle irgendwo zwischen Kaliningrad im Westen, Litauen im Norden und Belarus im Osten. Ein LKW-Fahrer wünscht uns nach kurzem Blick auf unser Nummernschild mit osteuropäischem Akzent einen “Guten Appetit!”. Und um knapp halb sechs fährt uns Anton, der in den Sonnenaufgang fahren wollte, schließlich über die Grenze ins Baltikum. Polen liegt endlich hinter uns! Viele Stunden Drei-Fragezeichen-Hörbücher und eine gruselige Deutschlandfunk-Serie haben uns zusammen mit Koffeinbrause und einem guten Schichtplan, der allen ein paar Stunden Schlaf ermöglicht hat, gut über die Nacht gebracht.

Der Rest fühlt sich wie ein Katzensprung an. Nur noch ein paar hundert Kilometer bis Estland, das geht sicher ganz schnell. Und so stehen wir am Montag abend um 18 Uhr tatsächlich am Bahnhof in Rakvere und sammeln Lukas ein, der mit Bus und Bahn mit dem Deutschlandticket gekommen war. Eine halbe Stunde später begrüßt uns Georg in Rihula, den Zeltplatz hat er schon für uns gemäht. Wir können direkt einziehen. Was für ein Zugewinn, im Vergleich zum letzten Jahr! Eine kleine Überraschung gibt es dann auch noch: Rihula hat Nachbarn bekommen, eine halbe Stunde Fußweg weiter hat sich ein Ehepaar ein nettes Wochenendhäuschen mit schönem Garten angelegt. Wir werden herzlich begrüßt und hoffen, uns auf dem Bergfest besser kennenzulernen.

Lukas und Anton bauen das Fenster der Sauna aus
Lola schrubbt Regale

Bevor wir aber warm kochen und vor allem wieder Kaffee trinken können, müssen wir morgen die Gasflaschen von Marju und Jaan holen. Und ungefähr so vergeht dann auch der heutige Dienstag: Touren mit dem Hänger, die Bretter von den Türen reißen, Küche fegen, Regale putzen, Kartons auspacken und einräumen, Zelt aufbauen und eine Feuerstelle einrichten, nicht gegen die Kälte, sondern gegen die Mücken. Die sind auch wieder da, aber dieses Jahr sind wir vorbereitet. Wie genau? Das berichten wir in einigen Tagen. Bis bald!

Anton baut das Zelt an die Sauna. Hänger mit Gepäck im Vordergrund.

Spendenkonto

Empfänger: estwärts e.V.
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